Einsatzbericht von Corinne Lehmann, dipl. Physiotherapeutin mit Therapiehündin Bohème
Heute ist für einmal meine Hündin als Therapeutin im Einsatz und nicht ich als Physiotherapeutin. Für einmal bin ich nur Begleitperson. Und doch registrieren meine «Physio-Augen» Erstaunliches. Da werden plötzlich steife Hüften gebeugt, Arme über die altersbedingten Einschränkungen gehoben und Spaziergänge in flottem Tempo absolviert.
Möglich machen dies nicht aufmunternde Worte und Instruktionen meinerseits, sondern die blosse Anwesenheit meiner Hündin. Ihre freudige Begrüssung wird von den Anwesenden begeistert quittiert und sie erhält schon beim Eingang Streicheleinheiten. Man biegt sich zu ihr runter, liebkost sie und sie geniesst dies ganz offensichtlich.
Vollends zur Königin wird sie, wenn sie auf einem Stuhl sitzend ganz nah bei der besuchten Person sein darf. Wie selbstverständlich passieren nun in der Begegnung mit der Hündin von Seiten der älteren Personen Seitwärtsneigungen, Vorwärtsbeugungen und Drehungen der Wirbelsäule.
Für einen Spaziergang an der Doppelleine erhebt man sich gerne vom Stuhl und trainiert da ganz nebenbei die Beinmuskulatur und das Gleichgewicht. Wie motivierend mit einem Hund an der Leine zu spazieren, wenn man vielleicht früher auch mal einen seinen Eigenen nennen durfte! Aufgerichtet und mit breiter Brust geniesst man das Leinenlaufen mit dem Hund. Da darf die Gehstrecke zwischendurch auch etwas länger sein.
In der Cafeteria angekommen, kuschelt sich meine Hündin an die Füsse ihrer neuen Freundin. Jede Bewegung, jedes Schwanzwedeln, Kopf anheben und Schütteln der Hündin wird von der Seniorin wahrgenommen und kommentiert. Und meine Hündin profitiert von den Goodeli, die ihr dabei immer wieder zufallen.
Angeregte Gespräche ergeben sich von selbst. Erinnerungen an den eigenen Hund steigen hoch, Vergleiche mit meiner Hündin angestellt. Atemtherapie inklusive, denn durch das Sprechen wird die Atmung vertieft.
Meine Hündin rollt sich entspannt zusammen, die Seniorin spricht leise und beruhigend auf sie ein. Es entsteht bei Beiden ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Ruhe. Nur zu schnell naht das Ende des heutigen Besuches mit dem Versprechen auf baldiges Wiedersehen. Wir beide Therapeutinnen machen uns auf den Heimweg. Und mich beschleicht ganz leise das Gefühl der Dankbarkeit gegenüber meiner Hündin. Wie viel habe ich als Physiotherapeutin heute wieder punkto Ganzheitlichkeit von ihr gelernt!