Im Appenzeller Sennenhund steckt viel mehr als «nur» ein Hofhund. Dies und mehr erfahren wir in diesem Interview mit Petra Sommer.
Liebe Petra, du bist vielseitig engagiert. Wer steckt hinter der Person Petra Sommer?
Tja, das ist immer eine Frage, die etwas Ausholen bedarf...
Ich bin eine auf dem Land aufgewachsene Tiernärrin, das darf ich sicher so sagen. Mein erstes Haustier war eine Maus, die ich bei der Kartoffelernte auf dem Acker gerettet hatte, weil der Hofhund deren Mutter vor meinen Augen verschlungen hatte. So ging es weiter mit Katzen aus der Nachbarschaft, die beim Umzug nicht mitreisen konnten etc.
Über viele Jahre habe ich meinem geliebten Onkel Res während seiner Familienferien die Kühe, Schafe, Kaninchen, Hühner, Katzen und den Hofhund versorgt. Von ihm habe ich sehr viel im Umgang mit Tieren, vor allem Kühe, gelernt.
Mit 15 Jahren, im 1994, durfte ich mir meinen ersten eigenen Hund anschaffen. So kam Zora, eine Appenzeller-Bordercollie-Mix Hündin zu mir. Weil ich schon als Kind unerzogene und ungehorsame Hunde äusserst mühsam fand, meldete ich uns zu einem Erziehungskurs im nahe gelegenen Schäferhundeklub an.
Angetan von der Intelligenz und dem Lernwillen miener Hündin besuchten wir weitere Kurse im Begleithundetraining und im Agility. Während fünf Jahren haben wir sehr fleissig Agility-Meetings besucht und ein paar Begleithundeprüfungen absolviert. Zora war ein absoluter Prüfungshund.
Im 1998 habe ich dann meine ersten Trainerausbildungen absolviert, zuerst im Agility und anschliessend auch den Welpengruppenleiterkurs der SKG. Weitere Ausbildungen sind in späteren Jahren dazugekommen.
Als ich das Veterinärstudium nach vier Semestern aufgrund von Chemie- und Physikunwissen aufgeben musste, habe ich mich via Fernstudium als Tierpsychologin ausgebildet. Meinen eidgenössischen Abschluss machte ich als Kauffrau.
Im Jahr 2004 kam eine Dackelmischlingshündin zu unserem Rudel dazu. Ronja war ein Sturkopf! Äusserlich zwar klein, aber im Innern mindestens ein Dobermann. Mir ihr konnte ich lernen, wie es für Menschen ist, einen kleinwüchsigen Hund zu führen: Dies ist manchmal nämlich viel schwieriger als mit grossen Hunden!
Im 2005 habe ich dann Hansueli geheiratet und bin auf den Bauernhof gezogen. Plötzlich hatte ich viele Tiere um mich herum. Das hat mir sofort sehr gefallen. Im 2006 und 2008 wurden unsere Söhne Nico und Mael geboren. Ab da habe ich selbständig als Hausfrau/Mutter und Hundetrainerin gearbeitet und auch die Trainerausbildung zum Sachkundenachweis für die obligatorischen Kurse absolviert. Ich fand diese Kurse eine Bereicherung, da viele Leute erst dadurch realisierten, zu welchen Leistungen ihre Hunde fähig wären und welche Verwantwortung mit der Haltung eines Hundes einhergeht.
Im 2009 habe ich eine eigene Hundeschule in Aefligen eröffnet. Ebenfalls in diesem Jahr habe ich mir den langjährigen Traum erfüllt und die Beauceronhündin "Ely Terra Aqua" angeschafft. Mein erster Hund mit Abstammungsausweis. Als Hofhund eine super Wächterin, im Alltag eine grosse Herausforderung, auch wenn ich bis heute von Ely enorm viel habe lernen dürfen. Auf einmal konnte ich mir vorstellen, was es bedeutet, einen "gefährlichen" Hund zu haben und in jedem Augenblick äusserst aufmerksam zu sein. Ely misstraute jedem Fremden und hat dementsprechend reagiert. Für all diese Lehren bin ich dieser Hündin unglaublich dankbar. Denn im Hundetrainerdasein hat mich dies enorm viel weitergebracht und ich durfte sie zu einer souveränen Begleiterin werden lassen.
Im 2014 kam die Jack Russell Hündin Mimi in unser Rudel und mit ihr ein neues, sehr spannendes Kapitel für mich. Unser jüngerer Sohn, damals sechs Jahre alt, wollte sich an ihrer Erziehung beteiligen und hat dies sehr erfolgreich getan. Erstmals erlebte ich in der Familie grosse Unterstützung bei der Haltung und Pflege unserer Hunde. Mimi hat mir mehrere Türen geöffnet. Sie wurde unsere erste Zuchthündin und die erste Therapiehündin. Durch die drei selber aufgezogenen Würfe konnte ich mir noch einmal sehr viel Fachwissen aneignen. Eine Tochter von Mimi lebt ebenfalls in unserem vierköpfigen Hunderudel (sie ist der Balljunkie und Strassenhockeyprofi).
Über fast sechs Jahre habe ich mit Mimi im Behindertenheim gearbeitet. Im 2019 zog mit Tinka wieder eine Appenzellermischlings-Hündin bei uns ein. Sie soll den Posten als Bewacherin des Hofes von Ely übernehmen. Da sie sich Menschen gegenüber aber ebenfalls sehr offen zeigt, habe ich mich entschieden, bei THM die Ausbildung zum Therapiehund mit Tinka zu absolvieren. Tinka ist seit letztem Sommer im Einsatz, dies vor allem mit Kindern und Hundephobikern.
Zusätzlich mit der Übernahme des Bauernhofes dreht sich mein Leben heute fast rund um die Uhr um Tiere. Kühe, Schafe, Kaninchen und Hunde sind nebst der Familie und Hundeschule meine tägliche Beschäftigung. So wie ich es mir immer gewünscht habe.
Du bist auch die zukünftige Präsidentin der IGKO. Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?
Wenn man die Homepage unserer Hundeschule besucht, wird einiges klar. Unsere Schule heisst AlSo Hund (AlSo steht für alltagstauglich und sozialverträglich). Ich habe mich in den Jahren als Hundehalterin massiv verändert. Das Wichtigste bei einem Hund ist für mich heute nicht die sportliche Leistung, oder das schöne Aussehen, sondern die alltäglichen Qualitäten. Was aber überhaupt nicht heisst, dass ich den Hundesport oder das Zucht- oder Ausstellungswesen nicht gut finde. Aber ich bin selbst überzeugt, dass Hunde, die sehr gut sozialisiert und im Alltag souverän geführt werden, uns allen viel mehr Freude bereiten und sich in ihren «Jobs» viel besser zeigen.
Aus genau diesen Gründen liegen mir die Zucht, Welpen und Junghundethemen sicher ganz besonders am Herzen. Aber ich werde mich engagieren, wo es erwünscht und notwendig ist.
Als Züchterin werden viele Ansprüche und Anforderungen an dich gestellt. Gibt es etwas, was du einem breiteren Publikum schon lange einmal mitteilen wolltest?
Nicht nur auf Papiere kommt es bei der Hundezucht an, sondern auch um viel Engagement, Wissen und Herzblut. Wo Hundezucht eine grössere Einnahmequelle ist, gilt es sehr genau hinzuschauen.
Ich besitze und besass auch Mischlingshunde, welche aber sehr gezielt ausgewählt sind. Lasst euch nicht von Fotos, Telefonaten oder schön geschriebenen Inseraten und E-Mails täuschen. Seht euch jede Zuchtstätte genau an und prüft für euch, ob alles passt.
Es lohnt sich länger auf einen Hund zu warten, anstatt einen Schnellkauf zu tätigen. Und egal, was für einen Hund du kaufst, informiere dich vorgängig!
Zu deinem Hunderudel gehört, wie oben schon erwähnt, auch die Appenzellermix-Hündin Tinka. Was hat den Ausschlag gegeben, dass du mit ihr die Ausbildung zum Therapiehund gemacht hast?
Mit der Jack Russell Hündin Mimi habe ich ja bereits auf diesem Gebiet gearbeitet. Als sich Tinka so aufgeschlossen zeigte, war es für mich naheliegend zu prüfen, ob dies auch für sie eine Bereicherung wäre. Mir gefällt die Arbeit mit Menschen sehr und ich bewundere Hunde, die in der Therapie arbeiten. Dies ist ein schwerer Job, vor allem psychisch belastend für den Hund. Darüber hinaus fasziniert mit die Ebene, auf welcher Tiere mit Personen in Verbindung treten können. Das zeigt sich besonders bei der Arbeit mit Menschen mit Einschränkungen.
Was hat dich von THM überzeugt, dass du die Ausbildung bei uns gemacht hast? Vom kynologischen Fachwissen und deinem langjährigen Know-How hättest du dies ja locker selber abdecken können.
Zwei meiner Kundinnen aus der Hundeschule waren im 2019 in der Ausbildung bei THM. Die Rückmeldungen, welche diese beiden Damen von den THM-Trainings in die Trainings bei AlSo-Hund brachten, hat mir gezeigt, dass bei THM sehr viel Wissen und Verständnis vorhanden ist. Ebenfalls das Kriterium, dass jedes Mensch-Hunde-Team individuell behandelt wird, hat mich enorm angesprochen.
Nach der Eignungsprüfung im Frühling 2021 hat sich dies nochmals bestätigt. Ich würde jederzeit wieder die Ausbildung bei THM machen und empfehle diese auch allen interessierten Personen.
Was war für dich persönlich das Herausfordernste in der Ausbildung?
Meine Tinka einfach mal machen zu lassen und mich von ihr führen zu lassen. Durch ihre manchmal sehr überschwängliche Art hatte ich oft das Gefühl, sie könnte zu aufdringlich werden. Im Einsatz hat sich aber gezeigt, dass genau dies manchmal wichtig ist, um Menschen aus ihrem Schneckenhaus zu locken.
Hat sich Tinka während der Ausbildung verändert und falls ja, wie?
Ja, Tinka hat sich sehr verändert. Sie ist viel reifer und selbstständiger geworden. Sie wurde vom «Muetihöck» zur aktiven Therapeutin J
Wo seid ihr beide aktuell im Einsatz?
Im Moment arbeiten wir selbständig mit Menschen, die Angst vor Hunden haben. Scheinbar hat Tinka mit ihrem Aussehen nach Bauernhofhund ein Klischee zu durchbrechen. Der Appenzeller Sennenhund hat leider nicht immer einen guten Ruf. Ich kann das auch gut nachvollziehen, da ich als Kind an vielen Bauernhöfen mit unbeaufsichtigten (Sennen-)Hunden vorbeigehen oder -fahren musste...
Es ist aber sehr schön zu sehen, wie Tinka in kürzester Zeit Vertrauen schaffen kann.
Was unternehmt ihr gerne wenn kein Therapiehunde-Einsatz ansteht?
Unser grosses Hobby ist Hoop Agi. Als Hütehund liegt es Tinka im Blut, sich auf Distanz führen zu lassen. Nebenbei fahren wir gerne Rad, gehen wandern oder schwimmen und lernen neue Tricks.
Was würdest du jedem angehenden Therapiehunde-Team als Rat mit auf den Weg geben?
Achte immer auf deinen Hund. Den Einsatzort solltest du nach den Vorlieben deines Hundes auswählen. Und gib deinem Hund so viel Vertrauen, dass er auch einmal selbst Entscheidungen treffen kann.
Liebe Petra, für diesen spannenden Einblick in dein Leben und die geleisteten Einsätze mit Tinka danken wir dir herzlichst und wünschen dir und deiner (tierischen) Familie einen tollen Frühling!